Tinnitus (lateinisch "tinnire" = klingeln) ist der medizinische Ausdruck für unangenehme, oft sogar äußerst quälende Gehörempfindungen. Dabei kann sie nur der Betroffene selbst in seinem Kopf wahrnehmen. Sie treiben nicht selten zur Verzweiflung. Tinnitus äußert sich als Klingeln, Zischen, Sausen, Knallen, Knarren usw., manchmal sogar als Melodien. Ein Betroffener sagt dazu: "Mitunter weine ich bittere Tränen der Verzweiflung über das, was ich ständig zu hören gezwungen bin."
Von den statistisch festgestellten sechs Millionen Tinnitusbetroffenen leiden mindestens eine Million Mitbürger regelrecht unter ihrem Tinnitus, zumal diese Krankheit sehr häufig einhergeht mit Schwerhörigkeit, Depressionen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Ängsten, Verhaltensstörungen und Arbeits- oder Berufsunfähigkeit. Für viele Betroffene scheint das Leben seinen Sinn verloren zu haben. Sie meinen, wie „ein Hund“ leben zu müssen. Das mangelnde Verständnis der Umwelt bewirkt, dass die Betroffenen über ihre Leiden weitgehend schweigen, zumal sie sich ohnehin nur schwer artikulieren lassen.
Tinnitus ist keine Krankheit, sondern primär ein Krankheitssymptom, was sich im Laufe der Jahre verselbständigen kann. Vermutlich gibt es weit über 150 denkbare Ursachen, die man nicht nur im Ohr finden kann: z.B. bei Durchblutungsstörungen und ihren Ursachen, bei organischen Erkrankungen, Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule, Kiefergelenkbeschwerden, Medikamentenunverträglichkeit, Allergien, Stoffwechselstörungen usw. Auch nicht bewältigter Stress, einschneidende Lebenssituationen und psychische Probleme sind eine häufige Ursache oder Auslöser.
Die Hauptursache mit etwa 30prozentiger Beteiligung ist in starker Lärmbelästigung zu sehen, insbesondere am Arbeitsplatz, aber auch durch hohe Lautstärke über Kopfhörer oder in entsprechenden Konzerten. Viele Soldaten der Bundeswehr zum Beispiel leiden infolge eines Knalltraumas an Tinnitus.
Die Wissenschaft weiß bis heute nicht, wie die störenden Ohrgeräusche eigentlich entstehen, nachdem aufgrund der erwähnten Ursachen eine Innenohrschädigung stattgefunden hat.
Die erste Tinnitusphase in den ersten Wochen ist oft entscheidend für den weiteren Verlauf. Wird sie nicht zu Sofortmaßnahmen genutzt, so ist der Tinnitus meist nicht rückgängig zu machen.
Die nächstbeste Chance besteht darin, dem Symptomcharakter des Tinnitus durch intensive und sachverständige Ursachenforschung Rechnung zu tragen. So lässt sich nicht selten eine Heilung durch Ursachenbeseitigung erreichen.
In allen anderen Fällen lässt sich der Leidensdruck sehr häufig mehr oder minder stark verringern. Der Betroffene lernt mit dem Tinnitus zu leben und empfindet ihn nicht mehr als alles bestimmende Lebensbeeinträchtigung.
Die Chancen der subjektiven oder sogar objektiven Linderung der Tinnitusbeeinträchtigung sind gar nicht so schlecht. Voraussetzung ist allerdings eine sachverständige Anwendung aller derzeit verfügbaren Möglichkeiten und die Mitarbeit des Betroffenen. Hier könnten bis zu 70 Prozent Erfolge erzielt werden. Vor allem psychotherapeutische Maßnahmen und die das Geräusch positiv beeinflussende (maskierende) apparative Versorgung mit Hörgeräten oder ein spezielles Rauschen erzeugende Tinnitusmasker haben hier im internationalen Vergleich den höchsten Stellenwert.
Auch lohnt es sich, die Tinnitusbegleiterscheinungen als solche isoliert zu sehen und für sich zu behandeln. Spezielle Medikamente und naturheilkundliche Methoden haben hier vor allem ihren eigenen Stellenwert.
Die wichtigste Tinnitustherapie jedoch besteht darin, den Betroffenen zu helfen, über ihr Leiden nachzudenken, es zu artikulieren, als Teil ihres Lebens anzunehmen und zu beeinflussen, um in diesem behinderten und beeinträchtigten Leben einen neuen Lebenssinn zu finden. Erst auf dieser Grundlage lassen sich hilfreiche Therapien aufbauen.